Alles stehen und liegen lassen

Freiwillige Feuerwehr: Wie die Wörther Floriansjünger an einem Sonntagabend einen Schornsteinbrand löschen

Wörth
Sonntag kurz nach 21 Uhr. Auf dem Sender Phoenix läuft gerade eine Dokumentation über den großen Brand Roms und die Feuerwehr des Kaisers Nero. Das klingelnde Handy ruft jäh zurück ins Hier und Jetzt. »Irgendwo brennt ein Kamin«, meldet sich Karin Vornberger, die Ehefrau des Wörther Kommandanten. Jetzt muss alles ganz schnell gehen.

27 Männer und drei Frauen lassen an diesem Novemberabend zu Hause in Wörth alles stehen und liegen. Zu Fuß, mit dem Rad oder dem Auto eilen sie aus allen Himmelsrichtungen zum Gerätehaus. Dort ist die Fahrzeughalle schon hell erleuchtet. »Eigentlich wollten meine Frau und ich gerade weggehen«, lässt sich Josef Vornberger im Vorbeihasten vernehmen. Doch daraus wurde wieder einmal nichts - die selbst auferlegte Pflicht, dem Nachbarn Hilfe in der Not zu leisten, geht vor.
Sind Menschen in Gefahr?
Spind aufgemacht, Schutzanzug übergestreift, Helm aufgesetzt - diese Handgriffe sind hundertfach eingeübt und längst automatisiert. Doch jedes Mal neu ist die Ungewissheit: Was erwartet die ehrenamtlichen Helfer vor Ort? Sind Menschen in Gefahr? Welches Risiko müssen sie für sich selbst eingehen?

Vornberger entscheidet blitzschnell, mit welchen Gerätschaften seine Truppe ausrücken wird. Ein Muss ist die Anhängeleiter, um auf das Hausdach mit dem kokelnden Schlot zu gelangen. Zwei Tanklöschfahrzeuge führen 5000 Liter Wasser mit. Weil mit stärkerer Rauchentwicklung zu rechnen ist, wird auch der mit zwei Drucklüftern bestückte Rüstwagen losgeschickt. Unter Blaulicht setzt sich der rote Tross in Bewegung, voran das neue Hilfeleistungslöschgruppenfahrzeug (HLF) 20/16, vom Kommandanten persönlich gesteuert.

Als die Wehrleute in der Münchner Straße eintreffen, herrscht dort schon helle Aufregung. Nachbarn kommen hinzu, von der hektischen Betriebsamkeit der Floriansjünger auf den Plan gerufen. Aus dem Schornstein des Hauses sprühen gefährlich Funken. Doris Rolinger, die sich mit Ehemann Christoph und den beiden Kindern ins Freie geflüchtet hat, steht der Schreck ins Gesicht geschrieben.
Die Familie hatte sich im Wohnzimmer zusammengefunden, um den Sonntag beim gemeinsamen Fernsehen gemütlich ausklingen zu lassen. Plötzlich ertönt vom Kamin her ein unheimliches Geräusch, das Doris Rolinger so schildert: »Es hat sich angehört, als ob ein Ufo landen würde.«

Glück im Unglück: Direkt gegenüber wohnt Klaus-Peter Zoll, ein erfahrener Feuerwehrmann. Vor die Tür geklingelt, erfasst er beim Blick auf das Nachbarhaus sofort den Ernst der Situation. Er informiert seinen Kommandanten, gibt ihm erste Informationen zur Lage.
Vornberger zögert keine Sekunde und löst den Alarm aus, während Zoll zusammen mit Sohn Fabian, der auch bei der Feuerwehr ist, ins Wohnzimmer seiner Nachbarn eilt und dort die glühenden Holzscheite von der offenen Feuerstelle räumt.
Atemschutz griffbereit
Die inzwischen eingetroffenen Kameraden haben ihren Atemschutz griffbereit. »Im Inneren könnten sich giftige Rauchgase gebildet haben«, warnt der Kommandant. Doch er kann schnell Entwarnung geben, nachdem drinnen die Fenster geöffnet und draußen vor der Haustür die Drucklüfter in Stellung gebracht und angeworfen worden sind.
Über die ausgefahrene Anhängeleiter erklimmen zwei Wehrmänner den Dachfirst. »Man sollte schon schwindelfrei sein«, schmunzelt Dieter Herbert. Zusammen mit Wolfgang Straub lässt er eine Kaminkehrerkugel in den Schlot hinab, um zu verhindern, dass sich der enge Schacht zusetzt. »Ein Schornsteinbrand darf nicht mit Wasser gelöscht werden«, erklärt Kommandant Vornberger. Das Wasser würde schlagartig verdampfen, wodurch der Schornstein schwer beschädigt werden oder gar explodieren könnte.
Nach einer guten halben Stunde ist die Gefahr gebannt. Die Rolingers können aufatmen: Dank des schnellen Eingreifens der Wörther Brandschützer ist alles im Haus heil geblieben. Trotz glühender Hitze hat auch der Kamin keinen Schaden davongetragen.

Auf der Rückfahrt im Mannschaftswagen ist der Brandeinsatz bei den Wehrleuten innerlich fast schon wieder abgehakt. »Das war Routine«, meint Rainer Orgeldinger. Seine Gedanken schweifen zurück zum schlimmen Unfall in Eschau, bei dem ein 43-jähriger Fußgänger getötet wurde. Dieser Einsatz unter tragischen Umständen wühlt die Helfer auch am Tag danach noch innerlich auf. Weil der landkreiseigene Rüstwagen seit 1974 bei ihnen stationiert ist, werden die Wörther oft zu schweren Unfällen nach auswärts alarmiert, die nicht selten an ihre psychischen Belastungsgrenzen gehen.
Hoffentlich durchschlafen
Zurück am Gerätehaus wischen sich die Floriansjünger den Schweiß von der Stirn, halten kurze Manöverkritik, machen ihre Ausrüstung wieder bereit für den nächsten Alarm. Während ein Trupp die Anhängeleiter zurück in die Halle schiebt, sprintet Josef Vornberger hinauf in seinen Führerstand, um die Polizei telefonisch auf den aktuellen Stand der Dinge zu bringen.
Die Wehrleute hoffen, dass sie nun durchschlafen können, denn am nächsten Morgen müssen die meisten ihrem Beruf nachgehen - und sie zählen auf das Verständnis ihrer Arbeitgeber, wenn sie nach einem nächtlichen Einsatz doch einmal die Müdigkeit übermannt. Bericht wurde von Jürgen Schreiner / Main-Echo verfasst